Der Orgasmus

Auf dieser Seite wollen wir die Definition des Orgasmus aus wissenschaftlicher Sicht darstellen. Wir haben versucht, diese komplizierten Abläufe in für Otto-Normalverbraucher verständliche Worte zu fassen.

Orgasmus bei Frauen und Männern

Unterleibsreflexe bei Säugetieren – und besonders beim Menschen – sind sehr vielschichtige zeitlich und räumlich ablaufende Reflexfolgen, an denen alle Nerven des Nervensystems beteiligt sind. Die Kenntnisse über diese Reflexe beim Mann, und besonders bei der Frau, sind noch sehr unvollständig. Sie stammen von Experimenten an Tieren, von Untersuchungen gesunder Menschen und aus klinischen Untersuchungen von Patienten mit Schädigungen des Rückenmarkes.

Genitalreflexe beim Mann

Die sexuelle Reaktion des Mannes besteht aus den Phasen der Erektion des Penis, dem Ausstoß von Samen- und Drüsensekreten in die innere Harnröhre und der eigentlichen Ejakulation – dem Auswurf des Samens aus der Harnröhre. Der Orgasmus beginnt mit oder vor der Emission und endet nach der Ejakulation.

Erektion

Eine Erweiterung der Arterien führt zur Erektion des Gliedes. Durch den venösen Stau des Penis füllen und weiten sich die Schwellkörper. Durch die Erweiterung der Arterien kommen nervale Impulse zustande. Gleichzeitig kommt es zu sexuellen Empfindungen durch die aufsteigenden Impulse von den Sexualorganen. Dabei ist der Peniskopf am dichtesten mit Nervenenden versorgt. Die Reizung dieser Rezeptoren geschieht durch gleitende und massierende Scherbewegungen, wie sie beim Geschlechtsverkehr stattfinden.

Eine wichtige Komponente zur anhaltenden Erregung der Rezeptoren im Peniskopf während des Geschlechtsverkehrs, ist die Gleitfähigkeit der Oberflächen von Vagina und Penis, die reflektorisch durch die vaginale Schleimabsonderung und die Aktivierung der Vorsteherdrüsen beim Mann herbeigeführt wird.

Der Erektionsreflex wird im Kreuzbein geschaltet. Er funktioniert auch bei querschnittsgelähmten Männern, deren Rückenmark oberhalb des Kreuzbeinmarkes durchtrennt ist. Etwa ein Viertel der Männer mit zerstörtem Kreuzbeinmark können psychogen bei sich eine Peniserektion auslösen. Weiterhin ist unbekannt, ob und in welchem Ausmaße der Sympathikus beim Gesunden zur Erektion beiträgt.

Emission und Ejakulation

… sind der Höhepunkt des männlichen Sexualaktes. Bei stärkerer Erregung der Sexualorgane während des Sexualaktes, kommt es zu Kontraktionen in den Samenleitern und der Prostata. Dadurch werden Samen und Drüsensekrete in die innere Harnröhre befördert. Gleichzeitig kontraktiert ein Muskel der die Harnblase verschließt, um einen Rückfluss der Sekrete in die Harnblase zu verhindern. Nach der Emission setzt die Ejakulation ein. Sie wird durch Erregung der Nerven von der Prostata und von der inneren Harnröhre, den Beckennerven, aber auch Nerven von Nebenhoden und der Samenblase ausgelöst. Die Reizung dieser Nerven während der Emission, führt reflektorisch zu tonisch-clonischen Kontraktionen der Beckenbodenmuskulatur. Durch diese rhythmischen Kontraktionen werden die Sekrete aus der innere Harnröhre herausgeschleudert. Gleichzeitig kontrahieren sich die Muskeln von Rumpf und Beckengürtel rhythmisch. Diese rhythmischen Kontraktionen führen während des Geschlechtsverkehrs zu stoßartigen Bewegungen des Beckens und dienen vornehmlich dem Transport des Samens in die Vagina.

Während der Ejakulationsphase kommt es zur maximalen Erregung der parasympathischen und sympathischen Innervation der Geschlechtsorgane. Diese maximale Erregung ist zum Teil auf die kontinuierliche afferente Rückmeldung von der Skelettmuskulatur während der rhythmischen Kontraktionen zurückzuführen. Durch die Abnahme der Aktivität und den venösen Abfluss des Blutes aus den Schwellkörpern, klingt die Erektion nach der Ejakulation allmählich ab.

Männer mit zerstörtem Kreuzbeinmark haben häufig Emissionen und Ejakulationen, wenn diesen eine Erektion vorausgegangen ist. Ebenso kann bei diesen Männern ein Orgasmus vorhanden sein. Querschnittsgelähmte Männer, deren Rückenmark im Halswirbel oder oberen Brustwirbelmark durchtrennt ist, haben praktisch keine Emissionen, Ejakulationen und Orgasmen mehr.

Genitalreflexe der Frau

Die Reaktionen weiblicher Geschlechtsorgane die beim Orgasmus der Frau ablaufen, sind in letzter Zeit recht gut erforscht worden. Welche Bedeutung dabei den vegetativen Nerven zukommt, ist aber zum Teil noch nicht erforscht und kann nur abgeschätzt werden.

Äußere Geschlechtsorgane

Sexuelle Erregung löst reflektorisch und psychogen in den äußeren Geschlechtsorganen der Frau Veränderungen aus. Die großen Schamlippen, die sich normalerweise in der Mittellinie berühren und dadurch die kleinen Schamlippen, den Scheideneingang und Harnröhrenausgang schützen, weichen auseinander, verdünnen sich und verschieben sich nach außen. Bei fortgesetzter Erregung kommt es zur Blutstauung in ihnen. Die kleinen Schamlippen nehmen durch die Blutfüllung um das Zwei- bis Dreifache im Durchmesser zu und schieben sich zwischen die großen Schamlippen. Diese Veränderung der kleinen Schamlippen verlängert den Scheideneingang. Die angeschwollenen kleinen Schamlippen ändern ihre Farbe von rosa zu hellrot. Die Farbveränderungen sind so typisch für eine sexuell erregte Frau, dass man die kleinen Schamlippen auch als Sexualhaut (sex skin) bezeichnet. Kopf und Körper der Klitoris schwellen an und nehmen an Länge und Größe zu. Bei zunehmender Erregung wird die Klitoris an den Rand des Schambeines gezogen. Diese Veränderungen der äußeren Geschlechtsorgane während der sexuellen Erregung werden einerseits reflektorisch durch Reizung von Rezeptoren in den Genitalorganen bewirkt, andererseits können sie auch rein psychogen zentral hervorgerufen werden.

Die Klitoris

Die Klitoris spielt wegen ihrer dichten nervalen Versorgung eine besondere Rolle. Ihre Rezeptoren werden sowohl durch direkte als auch indirekte Berührung manipuliert – besonders nachdem die Klitoris an den Rand des Schambeines gezogen wurde, durch Manipulationen an den äußeren Geschlechtsorganen oder durch Penisstöße.

Die Erregung der Nerven vom Scheidenvorhof, von der Dammgegend und besonders von den kleinen Schamlippen, können ebenso starke Effekte während der sexuellen Erregung herbeiführen wie die klitoridalen Reizungen. Die Erregung wird durch das Anschwellen der Organe verstärkt. Ob nervale Afferenzen, die mit dem Sympathikus laufen, ebenso an diesem reflektorischen Geschehen beteiligt sind, ist unbekannt, erscheint aber wahrscheinlich.

Die Vergrößerung der äußeren Genitalien ist auf eine allgemeine Gefäßstauung zurückzuführen. Diese Gefäßstauung wird vermutlich durch parasympathische Neurone aus dem Sacralmark erzeugt.

Die Erektion der Klitoris wird – wie beim Penis des Mannes – durch die Blutfüllung von Schwellkörpern erzeugt. In Analogie zu den Befunden beim Mann kann vermutet werden, dass auch die sympathische Innervation aus dem Brust-Lendenmark an der Erzeugung der Gefäßstauung beteiligt ist.

Innere Geschlechtsorgane

Bemerkenswerte Veränderungen erfahren die inneren Geschlechtsorgane der Frau in sexueller Erregung. Innerhalb 10 bis 30 Sekunden nach einer Stimulation setzt eine Absonderung gleitfähiger Flüssigkeit durch die Schleimhaut der Vagina ein. Diese Flüssigkeit erzeugt die Gleitfähigkeit in der Vagina und ist die Voraussetzung für die adäquate Stimulation des Penis beim Geschlechtsakt.

Die großen Vorhofdrüsen (Bartholinische Drüsen), spielen bei der Erzeugung der Gleitfähigkeit kaum eine Rolle. Die Absonderung (Transsudation) entsteht durch venöse Stauungen in der Vaginalwand. Sie wird durch parasympathische Nerven aus dem Kreuzbeinmark und durch sympathische Nerven aus dem Brust-Lendenmark ausgelöst. Der genaue Mechanismus der Transsudation ist bisher weitgehend unbekannt. Die Transsudation wird von einer reflektorischen Erweiterung und Verlängerung des Vaginalschlauches begleitet.

Mit zunehmender Erregung bildet sich im äußeren Drittel der Vagina durch lokale venöse Stauung die orgastische Manschette aus. Diese Manschette bildet zusammen mit den angeschwollenen, vergrößerten kleinen Schamlippen einen langen Kanal, der die optimale anatomische Voraussetzung zur Erzeugung eines Orgasmus bei Mann und Frau ist. Während des Orgasmus kontrahiert die orgastische Manschette je nach Stärke des Orgasmus 3 bis 15 mal. Diese Kontraktionen werden durch den Nervus sympathicus vermittelt und sind mit Emissionen und Ejakulation beim Mann zu vergleichen. Die Gebärmutter richtet sich während der sexuellen Erregung auf und steigt bei voller Erregung im Becken so auf, dass sich der Gebärmuttermund von der hinteren Vaginalwand entfernt und sich im letzten Drittel der Vagina ein freier Raum zur Aufnahme des Samens bildet. Gleichzeitig vergrößert sich der Uterus um bis zu 50 Prozent. Aufrichtung und Vergrößerung des Uterus kommt einerseits durch die Blutstauung im kleinen Becken, andererseits durch die nerval erzeugten Kontraktionen der glatten Muskulatur in den Haltebändern des Uterus zustande. Während des Orgasmus kontrahiert sich die Gebärmutter regelmäßig.

Extragenitale Reaktionen während des sexuellen Reaktionszyklus

Bei Männern ist der Erregungsablauf insgesamt stereotyp mit geringen interindividuellen Variationen. Auf den Orgasmus folgt eine Erholungszeit, in der kein neuer Orgasmus durch sexuelle Stimulation erreicht werden kann.

Bei der Frau ist der sexuelle Erregungsablauf dagegen variabler in Dauer und Intensität. Sie ist zu multiplen Orgasmen fähig.

Der Orgasmus ist eine Reaktion des ganzen Körpers. Er besteht aus den neurovegetativ hervorgerufenen Reaktionen der Genitalorgane (beim Manne besonders der Ejakulation; bei der Frau besonders der Kontraktion von orgastischer Manschette und Gebärmutter), allgemeinen vegetativen Reaktionen und der meist starken zentralnervösen Erregung, die zu intensiven Empfindungen und besonders bei der Frau zu Einengungen der übrigen Sinneswahrnehmungen führt.

Während der sexuellen Erregung kann man vielfältige Reaktionen beobachten. Herzfrequenz und Blutdruck nehmen mit dem Erregungsgrad zu. Die Herzfrequenz erreicht Maximalwerte bis 180 pro min, der Blutdruck steigt diastolisch bis 40, systolisch bis 100 mmHg an. Die Atemfrequenz nimmt bis zu 40 pro min zu. Der Afterschließmuskel zieht sich rhythmisch in der Orgasmusphase zusammen.

Die Brust der Frau zeigt infolge einer Gefäßverengung eine Zunahme der Venenzeichnung und der Größe. Die Brustwarzen sind erigiert und die Warzenhöfe angeschwollen. Diese Reaktionen der Brust können auch beim Manne auftreten, sind aber bei Weitem nicht so deutlich ausgeprägt.

Bei vielen Frauen und manchen Männern kann man die Sexualröte (sexflush) der Haut beobachten. Sie beginnt typischerweise in der späten Erregungsphase über dem oberen Bauchraum und breitet sich mit zunehmender Erregung über Brüste, Schultern, Abdomen und unter Umständen den ganzen Körper aus.

Die Skelettmuskulatur kontrahiert sich willkürlich und unwillkürlich. Es kommt zu nahezu spastischen Kontraktionen von mimischer Muskulatur, Bauch- und Intercostalmuskulatur. Im Orgasmus geht die willkürliche Kontrolle der Skelettmuskulatur weitgehend verloren.